Allgemeines
Wing Chun Kung Fu wird nicht durch reine Nachahmung oder militärischen Drill erlernt, sondern es muss individuell trainiert werden. Der Schüler soll allmählich ein vom Lehrer unabhängiges Verständnis entwickeln, wie die Bewegungen geübt und eingesetzt werden müssen. Dafür sind in der Anfangszeit sehr genaue Korrekturen insbesondere der Formen und des Chi Sau erforderlich. Nach einiger Zeit kann der Schüler seine Fehler dann selbst erkennen und korrigieren. Ein herkömmliches Gruppentraining mit Aufwärmen, Grundschule und Partnerübungen ist deshalb für uns kein geeignetes Unterrichtsformat. Unsere Trainingszeiten sind "offen", d. h. die Teilnehmer können nach ihren eigenen Möglichkeiten bestimmen, wann sie kommen und gehen wollen; jeder wird nach Maßgabe seines Leistungsstandes angeleitet. Kennzeichnend für den Unterricht im traditionellen Wing Chun Kung Fu ist ferner die freundliche, kooperative Atmosphäre: wir trainieren miteinander, nicht gegeneinander. Weniger erfahrene Schüler haben immer auch Gelegenheit, mit Fortgeschrittenen zu üben, die ihnen weiterhelfen. Fragen und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht!
Im Training des Wing Chun geht es um den Erwerb körperlicher Fertigkeiten, ganz ähnlich wie in einer handwerklichen Ausbildung. Grundlagen sind Attribute wie Körperstruktur, Gleichgewicht, Schlagkraft, Dynamik, Distanzgefühl, Timing. Ein Großteil der Trainingszeit wird auf diese Basics verwendet. Darüber hinaus legen wir Wert darauf, in relativ kurzer Zeit einen Überblick über das Gesamtsystem zu vermitteln.
Unterrichtsaufbau
Im ersten Trainingsjahr steht die Siu Lim Tau (1. Form) im Mittelpunkt, die alle entscheidenden Prinzipien, Konzepte, Kraftlinien und Positionen einführt. Parallel zur Siu Lim Tau werden Fauststöße, Körperwendungen, Schritte, Tritte und die Gleichzeitigkeit von Abwehr und Konterangriff geübt. Von hier aus gelangt man sehr schnell zu einfachen Kampfdrills, die im zweiten und dritten Trainingsjahr mit dem Erlernen der Chum Kiu (2. Form) und des Chi Sau zu kontrolliertem Sparring (Go Sau) und schließlich zum Freikampftraining ausgebaut werden. Die Übung der Holzpuppenform korrigiert Schrittarbeit und Ausrichtung zum Gegner und lehrt einige typische Kampfkombinationen. Mit der Biu Jee (3. Form) steht noch eine "Notfallform" zur Verfügung, die Lösungen für außergewöhnliche Situationen anbietet (ungünstige Raumverhältnisse, Verlust des Gleichgewichts, mehrere Gegner usw.). Langstock- und Doppelmesserform stärken Stände, Körperspannung und Mobilität und komplettieren schließlich das System. Nach vier bis fünf Jahren regelmäßigen Trainings sollte es auf hohem Niveau beherrscht werden.